Gehört das Anziehen der Arbeitskleidung zur Arbeitszeit?

Gehört das Um- und Anziehen der Arbeitskleidung zur Arbeitszeit? 3 Urteile dazu. 

Eigentlich scheint die Frage nach der Arbeitszeit recht klar zu sein. Gemäß Arbeitszeitgesetz gilt der Zeitraum ab Beginn bis zum Ende der Arbeit als Arbeitszeit, Ruhepausen ausgenommen. In einfachen Worten ausgedrückt, ist somit die Zeit Arbeitszeit, in der ein Arbeitnehmer arbeitet. Für diese Zeit erhält der Arbeitnehmer auch seine Entlohnung. Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht. 

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Ein typischer Streitpunkt ist beispielsweise, ob die Rüst- und die Umkleidezeiten ebenfalls als Arbeitszeit zählen und folglich bezahlt werden müssen. Als Rüstzeiten werden die Zeiten bezeichnet, die für die Vorbereitung auf die Arbeit erforderlich sind.

Rüstet der Arbeitnehmer beispielsweise ein Fahrzeug für einen Montageeinsatz aus oder wird eine Produktionsmaschine für den bevorstehenden Fertigungsprozess ausgerüstet, handelt es sich bei den dafür erforderlichen Zeiten um Rüstzeiten. 

Daneben kommt es häufig vor, dass Arbeitnehmer eine bestimmte Arbeitskleidung tragen müssen, entweder als vorgeschriebene Schutzkleidung, als arbeitsgerechte Dienstkleidung oder weil ein einheitliches Erscheinungsbild gewünscht wird. In einigen Branchen gehört das Umziehen bereits zur Arbeitszeit, Regelungen dazu finden sich in den Arbeits- oder Tarifverträgen. 

Manchmal gibt es aber auch keine Regelungen und dann stellt sich mitunter die Frage, ob das Um- und Anziehen der Arbeitskleidung als Arbeitszeit gewertet wird oder ob nicht. 

3 Urteile, die sich mit dieser Frage beschäftigen,
stellt die folgende Übersicht vor:

1.: Urteil vom 25.09.2012, Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Az. 5 Sa 275/11

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte über die Klage eines Lokführers zu entscheiden. Dieser bewahrte seine Arbeitskleidung und die für seine Arbeit erforderlichen Gerätschaften in einem Spind an der Arbeitsstelle auf. Der Lokführer zog sich also erst um und begab sich anschließend in den Melderaum. Dort nahm er die Dienstanweisungen entgegen. Sein Arbeitgeber vertrat die Auffassung, dass auch erst hier die Arbeitszeit des Lokführers beginne.

Der Lokführer wiederum klagte darauf, dass für jedes Umkleidungen und jede Aus- und Abrüstung sieben zusätzliche Minuten bezahlte Arbeitszeit angerechnet werden. Er berief sich dabei auf eine Einigung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat, die vor einer Einigungsstelle erzielt wurde. 

In dieser Einigung wurden die sieben Minuten Umkleide- und Rüstzeit aber unbezahlte Übergangszeit genannt, und nicht Arbeitszeit oder Freizeit. Der Arbeitgeber schrieb auch nicht vor, dass die Dienstkleidung und die Gerätschaften im Spind aufbewahrt werden müssen. 

Die Arbeitnehmer konnten diese vielmehr mit nach Hause nehmen und einige Kollegen handhabten dies auch so, kamen also schon fertig angezogen zur Arbeit. Der Arbeits- und der Tarifvertrag enthielt keine Regelungen zu Umkleide- und Rüstzeiten.

Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern bestätigte die Auffassung des Lokführers nicht und wies einen Vergütungsanspruch für zusätzliche Arbeitszeit zurück. Aus der Vereinbarung vor der Einigungsstelle gehe gerade hervor, dass für die sogenannte Übergangszeit keine Vergütung anfallen solle. 

Selbst wenn die Vereinbarung unwirksam wäre, würde dies keinen Anspruch des Lokführers begründen. Die Betriebsüblichkeit ergebe sich hauptsächlich aus dem Tarifvertrag und dieser regle gerade bei der Bahn jedes Detail. Eine Regelung, aus der sich der Anspruch des Lokführers ableiten ließe, enthalte er jedoch nicht. Auf gesetzliche Regelungen ließe sich der Vergütungsanspruch ebenfalls nicht stützen. 

2.: Urteil vom 19.09.2012, Bundesarbeitsgericht, Az. 5 AZR 678/11

Bei diesem Fall ging es um eine Krankenschwester, die in einem Münchner Krankenhaus im OP-Dienst tätig war. Die OP-Schwester musste sich vor Dienstbeginn zunächst in das Tiefparterre des Krankenhauses begeben, um dort die vorgeschriebene Dienstkleidung anzuziehen.

Von dort aus ging es weiter in den OP-Bereich, wo die Schwester erst die hier vorgesehene Bereichskleidung anlegen und sich anschließend die Hände desinfizieren musste. Nach Dienstende musste das ganze rückwärts wiederholt werden. Es war nicht gestattet, die Dienst- und die Bereichskleidung nach Hause mitzunehmen. 

Als bezahlte Arbeitszeit wurde nur der Zeitraum gewertet, in dem die Schwester im OP tätig war. Die OP-Schwester reichte Klage ein und forderte, dass pro Arbeitstag zweimal 15 Minuten Umkleide- und innerbetriebliche Wegezeit als Arbeitszeit bezahlt werden. Sie verwies auf eine betriebliche Praxis, die schon länger zurücklag. 

Im aktuellen Tarifvertrag gab es keine Regelungen zu den Umkleidezeiten. Das Bundesarbeitsgericht stellte klar, dass es sich immer dann um Arbeit handle, wenn eine Tätigkeit ausgeführt wird, durch die fremde Bedürfnisse erfüllt werden.

Dies gelte auch für das Anlegen von Dienstkleidung, wenn der Arbeitgeber eine bestimmte Arbeitskleidung vorschreibe und sich der Arbeitnehmer im Betrieb umziehen müsse. In vorliegenden Fall käme noch hinzu, dass das Umziehen der Hygiene im OP diene und somit im Interesse des Arbeitgebers wäre. 

Die Wegezeit, die die OP-Schwester benötige, um vom Umkleideraum in ihren Arbeitsbereich zu kommen, sei ebenfalls als Arbeitszeit zu werten. Die Klägerin habe somit Anspruch darauf, dass die täglichen Umkleide- und Wegezeiten entlohnt werden.

In einem Punkt gab das Bundesarbeitsgericht dem Beklagten jedoch Recht. Für die Umkleide- und Wegezeiten pauschal zweimal 15 Minuten anzusetzen, wies es nämlich zurück. Hier müsse vielmehr die Vorinstanz ermitteln, wie hoch die zusätzlichen Arbeitszeiten tatsächlich ausfallen. 

 

3.: Beschluss vom 10.11.2009, Bundesarbeitsgericht, Az. 1 ABR 54/08

In einer Möbelhauskette gab es eine sogenannte Staff-Clothing-Order. Diese schrieb den Mitarbeitern mit Kundenkontakt eine einheitliche Berufsbekleidung in bestimmten Farben und einem bestimmten Schnitt vor.

Eine Betriebsvereinbarung sicherte die Anweisung ab. Den Arbeitnehmern war es freigestellt, ob sie die Arbeitskleidung schon zu Hause anzogen oder sie erst in den Umkleideräumen in Betrieb anlegten. Der Arbeitgeber erfuhr, dass sich einige Arbeitnehmer nach Dienstschluss erst am Zeiterfassungssystem abmeldeten, nachdem sie sich umgezogen hatten. 

In der Folge erhielten diese Arbeitnehmer eine Abmahnung. Der Betriebsrat leitete deshalb ein gerichtliches Feststellungsverfahren ein. Darin sollte festgehalten werden, dass das An- und Ausziehen der Arbeitskleidung als Arbeitszeit zähle. Zudem habe der Betriebsrat ein Bestimmungsrecht, so dass der Arbeitgeber den Beginn und das Ende der Arbeitszeit nicht eigenmächtig ändern könne.    

Das Bundesarbeitsgericht führte aus, dass Umkleidezeiten dann Bestandteil der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung wären, wenn das Umziehen ein fremdes Bedürfnis erfülle und nicht gleichzeitig auch dem eigenen Bedürfnis diene.

Es läge keine Arbeitszeit vor, wenn vorgeschriebene Berufskleidung bereits zu Hause angelegt und auf dem Weg zur Arbeit getragen werden könne, ohne damit großartig aufzufallen. Die Arbeitskleidung der Einrichtungshäuser war in den Farben Blau und Hellgelb gehalten und mit ein paar großen Firmenlogos an verschiedenen Stellen verziert. 

Dies wiederum wäre keineswegs eine unauffällige Kleidung. Die Arbeitskleidung zu tragen, diene rein einem Fremdbedürfnis und das Umziehen im Betrieb gehöre zur Arbeitszeit.

Die Anweisung, dass das Umziehen außerhalb der registrierten Anwesenheit zu erfolgen habe, wäre eine eigenmächtige Änderung des Beginns und des Endes der Arbeitszeit gewesen. Derartige Änderungen wären jedoch mitbestimmungspflichtig.

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