Überstunden auszahlen oder abfeiern: die wichtigsten Infos zu Mehrarbeit, Teil 2

Überstunden auszahlen oder abfeiern: die wichtigsten Infos zu Mehrarbeit, Teil 2

Vermutlich gibt es keinen Arbeitnehmer, der nicht schon einmal für einen Kollegen einspringen oder etwas länger arbeiten musste. Aber was ist, wenn ständig Überstunden anfallen? Wie viel Mehrarbeit kann der Arbeitgeber anordnen? Und wer entscheidet, ob die Überstunden ausbezahlt oder abgefeiert werden?

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Überstunden auszahlen oder abfeiern die wichtigsten Infos zu Mehrarbeit, Teil 2

In einem zweiteiligen Beitrag fassen wir die wichtigsten Infos zu Mehrarbeit zusammen. Dabei haben wir in Teil 1 erklärt, was genau Überstunden sind und was der Begriff Mehrarbeit bedeutet.

Außerdem haben wir erläutert, wie viele Überstunden zulässig sind, ob Personalmangel ständige Überstunden rechtfertigt und ob Überstunden vergütet werden müssen.

Hier ist Teil 2!:

Wann sind unbezahlte Überstunden zulässig?

Im Normalfall ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, Überstunden zu vergüten. Allerdings gibt es Ausnahmen, bei denen der Arbeitnehmer von unbezahlten Überstunden ausgehen muss.

Möglich ist das zum Beispiel dann, wenn der Arbeitnehmer als leitender Angestellter arbeitet. Denn das Arbeitszeitgesetz findet in diesem Fall keine Anwendung. Hintergrund dazu ist, dass die Vergütung von sogenannten Diensten höherer Art weniger die geleisteten Arbeitsstunden, sondern in erster Linie die Verrichtung bestimmter Aufgaben berücksichtigt.

Leitende Angestellte bekommen deshalb üblicherweise keine Vergütung für ihre Überstunden.

Ähnlich sieht es aus, wenn ein Arbeitnehmer eine „deutlich herausgehobene Vergütung“ erzielt, also zu den sogenannten Vielverdienern gehört. In der Vergangenheit gab es mehrfach Urteile vom Bundesarbeitsgericht, die besagen, dass es nicht üblich ist, die Mehrarbeit von Mitarbeitern ab einer gewissen Gehaltsklasse zu bezahlen.

Derzeit (Stand 2023) liegen die jährlichen Vergütungsgrenzen dafür bei 87.600 Euro in den alten und 85.200 Euro in den neuen Bundesländern.

Pauschale Abgeltung von Überstunden mit dem Gehalt

Klauseln im Arbeitsvertrag, nach denen alle Überstunden eines Mitarbeiters pauschal mit seinem Festgehalt abgegolten sind, sind nicht zulässig.

Die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt klar, dass Vertragsklauseln, die eine Abgeltung von „Überstunden mit dem Gehalt“, „mit der vereinbarten Monatsvergütung“ oder mit der „vorstehenden Vergütung“ vorsehen, nicht wirksam sind.

Denn solche Formulierungen im Arbeitsvertrag oder einer Betriebsvereinbarung sind zu ungenau.

Zulässig hingegen sind in den meisten Fällen Vereinbarungen, die den Umfang der abgegoltenen Überstunden konkret benennen.

Es ist also rechtens, wenn im Arbeitsvertrag steht, dass mit dem monatlichen Festgehalt zum Beispiel „bis zu fünf Überstunden pro Woche“ oder „Überstunden in einem Umfang von bis zu zehn Prozent der vereinbarten Arbeitszeit pro Woche“ abgegolten sind.

Gehen die Überstunden, die der Arbeitnehmer geleistet hat, über die vertraglich vereinbarte Pauschale hinaus, muss der Arbeitgeber diese Mehrarbeit dann aber bezahlen oder mit Freizeit ausgleichen.

Was gilt für den Ausgleich von Überstunden durch Freizeit?

Statt die Überstunden monetär zu vergüten, bevorzugen einige Arbeitgeber den Abbau der Überstunden durch einen sogenannten Freizeitausgleich.

Hat ein Arbeitnehmer zum Beispiel regulär einen 8-Stunden-Arbeitstag und hat er 24 Überstunden angesammelt, kann er drei bezahlte Tage freibekommen, um auf diese Weise seine Mehrarbeit durch Freizeit auszugleichen.

Wirksam ist aber auch ein Freizeitausgleich nur dann, wenn er vertraglich vereinbart ist. Enthält der Arbeitsvertrag eine Klausel, die den Ausgleich von Überstunden durch Freizeit ausschließt, muss der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden bezahlen.

Möglich ist außerdem, dass der Arbeitsvertrag beide Varianten erlaubt, also sowohl eine Vergütung für die Überstunden als auch einen Freizeitausgleich.

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Einen gesetzlich geregelten Anspruch darauf, die Überstunden nach eigenem Ermessen abzubauen, hat der Arbeitnehmer nicht. Ganz im Gegenteil ist der Arbeitgeber derjenige, der festlegt, wann der Arbeitnehmer seine Überstunden durch Freizeit abbauen kann.

Dafür bietet sich zum Beispiel ein Zeitraum an, in dem es im Betrieb eher ruhig ist. Die übliche Praxis ist aber ohnehin, dass sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer absprechen, wann sich der Arbeitnehmer freinehmen kann.

Wie werden Überstunden versteuert?

Aus Sicht des Gesetzes ist die Vergütung von Überstunden regulärer Lohn. Aus diesem Grund werden ausbezahlte Überstunden auch ganz normal versteuert.

Macht der Arbeitnehmer Überstunden und lässt sich diese auszahlen, hat er mehr verdient und muss folglich auch höhere Steuern bezahlen. Eine Steuerbefreiung oder Steuervergünstigung für Überstunden gibt es nicht.

Deshalb kann es sich für den Arbeitnehmer lohnen, wenn er auf eine Auszahlung verzichtet und seine Mehrarbeit stattdessen durch Freizeit ausgleicht.

Wann verfallen Überstunden?

In aller Regel verjähren Überstunden nach drei Jahren, und zwar konkret am 31. Dezember des dritten Jahres. Eine gesetzliche Regelung dazu, bis wann Überstunden ausbezahlt oder abgebaut sein müssen, gibt es aber nicht.

Dafür kann der Arbeits- oder Tarifvertrag eine Klausel enthalten, die den dreijährigen Zeitraum verkürzt. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besagt dazu, dass eine Verkürzung auf bis zu drei Monate zulässig ist.

Eine vertragliche Vereinbarung, nach der die geleisteten Überstunden verfallen, wenn sie nach drei Monaten noch nicht ausgeglichen sind, ist demnach rechtens. Noch schneller dürfen die Überstunden aber nicht verfallen.

Auch dazu gibt es ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (Az. 5 AZR 52/05).

Was wird bei einer Kündigung aus den Überstunden?

Verlässt der Arbeitnehmer das Unternehmen, hat er einen Anspruch darauf, dass seine Überstunden bezahlt oder anderweitig abgegolten werden. Ob das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einer ordentlichen oder fristlosen Kündigung beruht, spielt dabei keine Rolle.

Die genaue Regelung zu den Überstunden ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag. Ist darin vorgesehen, dass die Überstunden durch einen Freizeitausgleich abgebaut werden können, kann der Arbeitnehmer davon auch im Rahmen der Kündigung Gebrauch machen.

Voraussetzung ist natürlich, dass innerhalb der Kündigungsfrist noch genug Zeit bleibt, um die Überstunden durch freie Tage auszugleichen. Ist die Zeit zu knapp oder schließt der Arbeitsvertrag einen Freizeitausgleich aus, muss der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden auszahlen.

Nachweis der Überstunden durch den Arbeitnehmer

Dass der Arbeitnehmer eine bestimmte Anzahl an Überstunden geleistet und der Arbeitgeber diese angeordnet oder jedenfalls gebilligt hat, muss der Arbeitnehmer nachweisen. So hat das Bundesarbeitsgericht geurteilt.

Dass ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs Arbeitgeber dazu auffordert, die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeiter zuverlässig aufzuzeichnen, ändert daran nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nichts.

Möchte sich der Arbeitnehmer seine Überstunden auszahlen lassen, sollte er deshalb darauf achten, dass sie korrekt notiert sind.

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Torben Steuer, - Personaler, Martin Bachmann, - Inhaber einer Zeitarbeitsagentur, Martina Schulz, - Bewerbungs- und Personaltrainerin, Christian Gülcan, - Unternehmer, mehrfacher Gründer, Arbeitgeber und Betreiber dieser Webseite, sowie Performance Recruiter bei Mitarbeiterwerk, Ferya Gülcan, - Unternehmerin & Arbeitgeberin, schreiben hier Wissenswertes, Ratgeber und Tipps zum Thema Jobs, Weiterbildung, Berufe, Bewerbungen und die Jobsuche.

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