Aktuelle Regelungen zum Urlaubsanspruch bei Krankheit, Teil 1 – Auch kurz vor und während des Urlaubs kann ein Arbeitnehmer erkranken. Um die verlorenen Urlaubstage muss sich der Arbeitnehmer aber keine Sorgen machen. Wir erklären die aktuellen Regelungen zum Urlaubsanspruch bei Krankheit!
Inhalt
- 1 Wie ist die grundsätzliche Rechtslage zum Urlaubsanspruch bei Krankheit?
- 2 Was wird bei einer längeren Erkrankung aus dem Urlaubsanspruch?
- 3 Wann verfällt der Urlaubsanspruch bei Krankheit?
- 4 Was wird bei Krankheit aus dem tariflichen Urlaubsanspruch?
- 5 Was passiert nach 78 Wochen?
- 6 Ist es möglich, sich den Urlaub bei längerer Krankheit auszahlen zu lassen?
- 7 Bekommt der Arbeitnehmer Urlaubsgeld, wenn er Krankengeld bezieht?
Wie ist die grundsätzliche Rechtslage zum Urlaubsanspruch bei Krankheit?
Jeder Arbeitnehmer in Deutschland hat von Gesetzes wegen Anspruch auf bezahlten Urlaub. Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) gibt dabei vor, dass es bei einer Fünftagewoche mindestens 20 Urlaubstage und bei einer Sechstagewoche mindestens 24 Tage Urlaub sein müssen.
Im Arbeits- oder Tarifvertrag kann aber auch mehr Urlaub vorgesehen sein.
Im Fall von Krankheit regelt § 9 BUrlG, was für den Urlaubsanspruch gilt. Dort heißt es nämlich: „Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.“
Was wird bei einer längeren Erkrankung aus dem Urlaubsanspruch?
Der Urlaubsanspruch bei Krankheit ist gesetzlich geregelt. Daran ändert auch eine längere Erkrankung nichts. Ob ein Arbeitnehmer nur wenige Tage oder über mehrere Wochen hinweg krankheitsbedingt ausfällt, hat auf den Urlaubsanspruch also keine Auswirkungen.
Diese Auffassung hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung bestätigt. Demnach beeinflusst das Erbringen von Arbeitsleistung den Urlaubsanspruch nicht. Erkrankt ein Arbeitnehmer längerfristig, bleibt sein Urlaubsanspruch bestehen.
Wann verfällt der Urlaubsanspruch bei Krankheit?
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch bei einer langfristigen Erkrankung noch bis zu 15 Monate nach dem Ablauf des Urlaubsjahres geltend machen kann.
Dass die Urlaubstage endgültig verfallen, muss der Arbeitnehmer somit nur dann befürchten, wenn sich sein krankheitsbedingter Ausfall über mehrere Jahre erstreckt. In diesem Fall würde der Urlaubsanspruch zum Beispiel am 31. März des übernächsten Kalenderjahres verfallen (Bundesarbeitsgericht, Az.: 9 AZR 353/10).
Übrigens: Dieser Zeitraum ist der sogenannte Übertragungszeitraum. Und der Tarifvertrag kann auch einen Übertragungszeitraum vorsehen, der noch länger andauert als 15 Monate.
Im Jahr 2009 hat der Europäische Gerichtshof seine bis dahin geltende Rechtsprechung aufgegeben und entschieden, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub auch bei einer lange andauernden Erkrankung besteht.
Die Luxemburger Richter erklärten, dass ein Arbeitnehmer europarechtlich Anspruch auf mindestens vier Wochen bezahlten Urlaub hat. Würde der langfristig erkrankte Arbeitnehmer seinen Urlaubsanspruch nach nationalem Recht verlieren, würde der europarechtliche Urlaubsanspruch aber nicht umgesetzt (Az.: C-350/06).
In einem weiteren Urteil aus dem Jahr 2011 hat der Europäische Gerichtshof dann erlaubt, dass die EU-Staaten den Übertragungszeitraum für Urlaubsansprüche zeitlich begrenzen dürfen.
Nur muss die Frist großzügig bemessen sein (Az.: C214/10). Anknüpfend auf dieses Urteil hat das Bundesarbeitsgericht 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres als Übertragungszeitraum bestimmt.
Diese starre Frist von 15 Monaten des Bundesarbeitsgerichts hat der Europäische Gerichtshof in einem Urteil aus dem September 2022 gekippt (Az.: C-518-20). Deshalb verfällt der Urlaubsanspruch nicht mehr automatisch nach 15 Monaten, bloß weil der Arbeitnehmer den Urlaub nicht genommen hat.
Vielmehr ist der Arbeitgeber dafür verantwortlich, den Urlaub zu gewähren und dies entsprechend nachzuweisen. Erfüllt der Arbeitgeber seine Nachweispflicht nicht, bleibt der Anspruch auf bezahlten Urlaub erhalten.
Was wird bei Krankheit aus dem tariflichen Urlaubsanspruch?
Bei einer längeren Erkrankung bleibt der gesetzliche Mindesturlaub erhalten. Ob das auch für den Mehrurlaub gilt, der sich aus dem Tarifvertrag ergibt, hängt vom Tarifvertrag ab.
Grundsätzlich greifen beim Urlaubsanspruch im Krankheitsfall die Regelungen aus dem Bundesurlaubsgesetz. Enthält der Tarifvertrag aber eigene Regelungen zur Übertragung und Abgeltung des Urlaubs, sind sie maßgeblich.
Was passiert nach 78 Wochen?
Hält der krankheitsbedingte Ausfall lange an, muss sich der Arbeitnehmer über seine Urlaubstage keine Gedanken machen. Denn der Anspruch auf Urlaub entsteht auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis wegen der Erkrankung ruht.
Nach 78 Wochen endet zwar der Anspruch auf Krankengeld. Die reguläre Verfallsfrist für den Jahresurlaub beginnt aber immer erst mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres.
Je nachdem, wann die Erkrankung eingetreten ist, kann der Arbeitnehmer seinen Urlaub deshalb auch nach 78 Wochen noch nehmen. Scheidet er unmittelbar nach der Erkrankung aus dem Beruf aus, kann er außerdem einen Anspruch darauf haben, dass sein Urlaub abgegolten wird.
Ist es möglich, sich den Urlaub bei längerer Krankheit auszahlen zu lassen?
Das Bundesurlaubsgesetz räumt die Möglichkeit ein, sich den Urlaub in bestimmten Fällen auszahlen zu lassen. In der Praxis gestaltet sich dieses Vorhaben aber nicht ganz so einfach. Denn die sogenannte Urlaubsabgeltung ist an recht enge Vorgaben geknüpft.
Der Arbeitnehmer kann sich seinen Urlaub erst und nur dann auszahlen lassen, wenn das Arbeitsverhältnis in Kürze endet und noch Resturlaub vorhanden ist, den der Arbeitnehmer nicht mehr nehmen kann.
Dieser Fall ist denkbar, wenn das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag oder eine fristlose Kündigung endet. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Arbeitsvertrag ordentlich gekündigt wurde, der Arbeitnehmer aber bis zum letzten Tag gebraucht wird und deshalb mit dem Arbeitgeber eine Auszahlung des Resturlaubs vereinbart.
Im Fall einer langen Krankheit sieht die Sache etwas anders aus. Fällt der Arbeitnehmer für einen längeren Zeitraum krankheitsbedingt aus und endet direkt im Anschluss das Arbeitsverhältnis, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Abgeltung des Resturlaubs, den er nicht mehr nehmen konnte.
Bekommt der Arbeitnehmer Urlaubsgeld, wenn er Krankengeld bezieht?
Bezahlt der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern Urlaubsgeld, hat ein Arbeitnehmer auch dann Anspruch auf das Urlaubsgeld, wenn er längere Zeit krank war.
Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart ist, dass das Urlaubsgeld unmittelbar mit dem Urlaubsantritt verknüpft ist. Ansonsten ändert auch der Bezug von Krankengeld nichts am Urlaubsgeldanspruch.
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Thema: Aktuelle Regelungen zum Urlaubsanspruch bei Krankheit, Teil 1
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