Wie kann der Arbeitnehmer eine Versetzung verhindern?

Wie kann der Arbeitnehmer eine Versetzung verhindern?

 

Ein Arbeitnehmer hat sich seine Wohnung schön und gemütlich eingerichtet. Sein jüngeres Kind besucht den Kindergarten, das ältere Kind wurde kürzlich eingeschult. Die Familie wohnt im Umkreis, ebenso wie die meisten Freunde und Bekannten.

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Die Frau des Arbeitnehmers hat einen Minijob, möchte aber bald wieder mehr arbeiten. Der Arbeitnehmer fühlt sich an seinem Arbeitsplatz wohl. Die Arbeit macht ihm Spaß, das Verhältnis zu den Kollegen ist gut. Eigentlich ist also alles perfekt – bis der Arbeitgeber plötzlich erklärt, dass der Arbeitnehmer versetzt werden soll.

Natürlich kann eine Versetzung ein Schritt auf der Karriereleiter sein. Vielleicht weiß der Arbeitgeber um die fachlichen und persönlichen Qualitäten seines Mitarbeiters und möchte sie einsetzen, um einen anderen Standort aufzubauen oder eine Abteilung zu stärken.

Womöglich wird der Arbeitnehmer nicht nur versetzt, sondern gleichzeitig auch befördert. Genauso gut kann eine Versetzung aber ein probates Mittel sein, um einen Arbeitnehmer mürbe zu machen oder ihn loszuwerden. Entweder weil der Arbeitnehmer durch die Versetzung aus dem Blickfeld verschwindet oder weil er von sich aus kündigt.

So oder so stellt sich aber mancher Arbeitnehmer sicher die Frage, ob der Arbeitgeber eine Versetzung überhaupt veranlassen darf. Und ob der Arbeitnehmer die Versetzung stillschweigend akzeptieren muss.

 

Was bedeutet Versetzung überhaupt?

Der Gesetzgeber hat festgelegt, was unter einer Versetzung zu verstehen ist. In § 95 Abs. 3 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes heißt es dazu:

„Versetzung im Sinne dieses Gesetzes ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. […]“

 

Eine Versetzung liegt demnach vor, wenn der Arbeitnehmer in einem anderen Arbeitsbereich tätig werden soll. Gleichzeitig muss der Einsatz in diesem neuen Arbeitsbereich entweder für einen Zeitraum vorgesehen sein, der aller Voraussicht nach länger als einen Monat andauert. Oder der Einsatz in dem neuen Arbeitsbereich muss mit sich bringen, dass sich die bisherigen Arbeitsbedingungen deutlich verändern.

Eine Versetzung muss also nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Arbeitnehmer an einem anderen Standort eingesetzt wird. Auch wenn der Arbeitnehmer innerhalb des Betriebs in eine andere Abteilung wechselt, handelt es sich um eine Versetzung. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer künftig eine andere Position mit einem neuen Aufgaben- oder Tätigkeitsbereich bekleiden wird.

 

Darf der Arbeitgeber eine Versetzung anordnen?

Der Arbeitgeber hat ein sogenanntes Weisungsrecht, manchmal auch als Direktionsrecht bezeichnet. Durch das Weisungsrecht soll der Arbeitgeber die Möglichkeit haben, einen Arbeitnehmer so einzusetzen, wie es der Betrieb erfordert.

Dabei setzt der Arbeitgeber sein Weisungsrecht um, indem er Arbeitsanweisungen erteilt. Diese Arbeitsanweisungen hat ein Arbeitnehmer zu befolgen.

Die rechtliche Grundlage für das Weisungsrecht schafft § 106 der Gewerbeordnung.

Dort heißt es:

„Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.“

 

Der Arbeitgeber kann also festlegen, wo, wie und wann ein Arbeitnehmer seine Aufgaben erledigen soll. Deshalb beinhaltet das Weisungsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich auch die Möglichkeit, den Arbeitnehmer zu versetzen.

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Allerdings ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers durch zwei Punkte eingeschränkt:

1. besagt das Gesetz, dass der Arbeitgeber seine Entscheidungen nach billigem Ermessen treffen muss. Billiges Ermessen bedeutet, dass der Arbeitgeber nicht nur seine eigenen Interessen, sondern auch die Interessen des Arbeitnehmers in angemessenem Umfang berücksichtigen muss. In der Praxis wird diese Vorgabe einem Arbeitnehmer aber nur in Ausnahmefällen wirklich weiterhelfen.

2. ergibt sich aus dem Gesetz, dass der Arbeitgeber rechtlich verbindliche Bestimmungen an anderen Stellen beachten muss. Diese Bestimmungen können im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder in gesetzlichen Vorschriften stehen.

In der Praxis geht es letztlich nicht um die Frage, ob der Arbeitgeber eine Versetzung anordnen darf. Durch das Weisungsrecht ist der Arbeitgeber dazu berechtigt, eine Versetzung zu veranlassen. Ob der Arbeitnehmer mit der Versetzung einverstanden ist oder ob nicht, spielt keine Rolle, denn zum einen braucht der Arbeitgeber die Zustimmung des Arbeitnehmers nicht und zum anderen hat der Arbeitnehmer den Anweisungen seines Arbeitgebers Folge zu leisten.

Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Arbeitnehmer auf eine Position versetzt werden soll, die weniger verantwortungsvoll oder schlechter bezahlt ist. Eine solche Versetzung ist nicht zulässig. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers deckt grundsätzlich nur Versetzungen auf mindestens gleichwertige Verantwortungsbereiche oder Arbeitsplätze ab.

Entscheidend für die Praxis ist also, ob der Arbeitgeber im konkreten Einzelfall die Berechtigung hat, den Arbeitnehmer zu versetzen. Dies wiederum ist dann gegeben, wenn der Arbeitgeber die Grenzen seines Weisungsrechts eingehalten hat. Gibt es in dem Unternehmen einen Betriebsrat, kommt noch eine zweite Hürde dazu.

Der Betriebsrat muss nämlich gehört werden und der Versetzung zustimmen. Dies wird allerdings meistens der Fall sein, denn der Betriebsrat kann seine Zustimmung nur dann verweigern, wenn bestimmte, gesetzlich konkret benannte Gründe vorliegen. Außerdem muss der Betriebsrat gewisse Formalitäten und Fristen einhalten, sonst gilt seine Zustimmung als erteilt.

 

Wie kann der Arbeitnehmer eine Versetzung verhindern?

Eines vorweg:

Der Arbeitnehmer sollte besser nicht auf die Idee kommen, einfach nicht zur Arbeit zur erscheinen. Weigert er sich, die Arbeitsleistung an seinem neuen Arbeitsplatz zu erbringen, kommt dies einer Arbeitsverweigerung gleich. Eine Arbeitsverweigerung wiederum kann eine Abmahnung und im Wiederholungsfall sogar die Kündigung zur Folge haben.

Allzu viele Möglichkeiten hat der Arbeitnehmer leider nicht, wenn er eine Versetzung verhindern möchte. Völlig chancenlos ist er aber natürlich auch nicht. Grundsätzlich kommen folgende Möglichkeiten in Betracht:

Das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen:

Der Arbeitnehmer sollte sich zuerst an seinen Vorgesetzten wenden. Manchmal lässt sich im persönlichen Gespräch eine Lösung finden, mit der beide Seiten leben können.

 

Den Arbeitsvertrag prüfen:

Der Arbeitnehmer sollte sich seinen Arbeitsvertrag genau durchlesen. Ist darin eine sehr detaillierte Tätigkeitsbeschreibung vorhanden oder ein konkreter Einsatzort genannt, hat der Arbeitgeber nicht viel Spielraum, was eine Versetzung angeht.

Allerdings gilt dies nur dann, wenn der Arbeitsvertrag keine Klauseln enthält, die die möglichen Versetzungen regeln. Steht beispielsweise im Arbeitsvertrag, dass eine Versetzung auf eine gleichwertige Position in allen Standorten des Unternehmens möglich ist, wenn es der Betrieb erfordert, hat der Arbeitnehmer dieser Vereinbarung durch seine Unterschrift zugestimmt.

Andererseits sind nicht alle Versetzungsklauseln wirksam. Da ein Laie aber kaum in der Lage sein wird, die Rechtmäßigkeit einer Versetzung zu beurteilen, sollte er sich im Zweifel anwaltliche Hilfe holen. Neben dem Arbeitsvertrag können auch eine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag Bestimmungen enthalten, die einer Versetzung entgegenstehen. Daher kann sich auch hier eine Prüfung lohnen.

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Den Betriebsrat einschalten:

Gibt es in dem Unternehmen einen Betriebsrat, braucht der Arbeitgeber dessen Zustimmung für die Versetzung eines Arbeitnehmers. Andersherum kann sich der Arbeitnehmer an den Betriebsrat wenden und ihn um Hilfe bitten. Allerdings muss sich der Arbeitnehmer beeilen, denn der Betriebsrat hat nur eine Woche Zeit, um eine begründete Zustimmungsverweigerung zu formulieren und dem Arbeitgeber vorzulegen.

 

Einen Anwalt hinzuziehen:

Eine Versetzung kann gegen verbindliche Vereinbarungen oder gesetzliche Vorschriften verstoßen oder auch unzumutbar sein. Landet die Angelegenheit vor dem Arbeitsgericht, wird abgewogen, ob die Interessen des Arbeitnehmers oder die Interessen des Arbeitgebers schwerer wiegen.

Wie die Chancen stehen, dass das Gericht zugunsten des Arbeitnehmers entscheidet und so die Versetzung verhindert, wird ein Arbeitnehmer als juristischer Laie aber kaum beurteilen können. Ratsam ist deshalb, sich von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten zu lassen.

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Torben Steuer, - Personaler, Martin Bachmann, - Inhaber einer Zeitarbeitsagentur, Martina Schulz, - Bewerbungs- und Personaltrainerin, Christian Gülcan, - Unternehmer, mehrfacher Gründer, Arbeitgeber und Betreiber dieser Webseite, Ferya Gülcan, - Unternehmerin & Arbeitgeberin, schreiben hier Wissenswertes, Ratgeber und Tipps zum Thema Jobs, Weiterbildung, Berufe, Bewerbungen und die Jobsuche.

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